Œuvre

Das grafische Werk I

Das grafische Werk I   Das grafische Werk II

„Dann aber wird alles sicher!“ [1]
Karl Hofer hat in der Lithografie seine grafische Heimat gefunden.
Lithografien sind ihm Gedanken in gedruckter Form. Klar formulierte Aussagen in eindeutiger, reduzierter Linienführung. Schwarz-Weiß „Zeichnungen “, welche sich dem Thematischen unterwerfen ohne dabei den Raum in Anspruch zu nehmen.

Anfang der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts beginnt eine kurze Zeit reichen grafischen Schaffens, in der bevorzugt Lithografien und einige Radierungen entstehen. Motive tauchen auf, die dem Künstler auch in seiner Malerei wichtig sind: Mädchen- und Figurenbilder, Menschen, die am Fenster stehen, sich einander zuwenden, in sich versunken sind. Doch „ebenso die traurigen, schreckhaften und entsetzten ‚Köpfe‘, die aggressiven Lemuren und Phantome“ [2]. Hier scheint schon Hofers bittere Sicht auf die humanen Befindlichkeiten anzuklingen: der beklagenswerte Verlust eines von klassischen Idealen getragenen Menschenbildes.

Was Hofers Beschäftigung mit der grafischen Arbeit anbetrifft, so gibt es immer wieder längere Unterbrechungen.
Dies liegt nicht nur an den unglücklichen Fügungen des Schicksals, wie etwa die unfreiwillige „Abstinenz“ während seiner Zivilinternierung in Frankreich.
Karl Hofers eindeutige Präferenz gilt der Malerei. Sie ist das primäre Medium seiner Kunst. In ihr sieht er den Weg, um seine Visionen zu erfüllen und nicht zuletzt seine Auseinandersetzungen mit der Wirklichkeit, seinen Kampf mit dem Dämonischen zu führen. So war es in Rom die Monumentalität und das Plastische des Körpers, in Paris die Farben, mit denen die Malerei ihn für sich einnahm und seine schöpferische Kraft band.
Die Grafik ist ihm Erweiterung und Ergänzung seiner Arbeit. Doch erkennt er ihren eigenen Charakter. Sie bietet ihm die Möglichkeit zur konzentrierten Wiedergabe, die unmittelbare und dichte Darstellung des in vielen Fällen bereits in der Malerei entwickelten Bildgedankens. 

Seinen ersten Kontakt mit den grafischen Techniken hat Hofer an der Karlsruher Akademie. Das Medium Holzschnitt kommt seinem künstlerischen Ansatz nicht entgegen, mit ihm tut er sich schwer und so lässt er es bei einigen Versuchen bewenden. 

Anders verhält es sich mit der Radierung. In ihr „findet sich Hofer zum erstenmal selbst.“ [3]

„Die ‚Geschlossene Gesellschaft‘ von 1899, die sich unbehaglich in einem verzerrten Innenraum zusammengefunden hat, merkwürdig geräuschlos, obwohl gekämpft und geschrien wird, nächtlich mit allen Dunkelheiten des Ungewissen und mit dem grellen Licht des Schreckens, nimmt ein Thema vorweg, das später öfter wieder aufgegriffen wird.“ [4]

„Bezeichnend“ dabei Hofers Wahl der Aquatintatechnik, die eine tonreichere Ausdeutung des Dargestellten zulässt und sich somit der Malerei annähert. 

Bald allerdings schlägt er einen anderen Weg ein. Es entstehen in der Folge Kaltnadelradierungen mit teils symbolistischen Anklängen und Blätter in denen er das geheimnisvoll Unfassliche, wie einen feinen Schleier um das Dargestellte webt, daneben aber auch nuanciert gezeichnete Landschaften. 

Fortsetzung (Grafik Teil II)

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[1]-[4] sämtliche Zitate von Kurt Martin, aus: Ernst Rathenau: Karl Hofer - Das graphische Werk.

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